Oboistin Physiotherapeutin Sophie Stahl

Wohlbefinden für Musiker*innen

In diesem Interview durfte ich die Flötistin, Akkordeonistin und Yogalehrerin Fanny Mas interviewen. Wir sprechen über körperliche Be- und Überlastungen und wie wir damit als Musiker*innen umgehen können. Außerdem wartet am Ende des Interview wartet eine Übung zum Ausprobieren auf Dich, mit der Du Deine Körperwahrnehmung schulen kannst und einen ersten Einstieg in das Thema findest.

Was erwartet Dich noch in diesem Interview?

In dem Gespräch mit Fanny erfährst Du:

… warum das Körperbewusstsein und Wohlbefinden beim Musizieren für uns Musiker*innen wichtig und hilfreich ist.

… wie Fanny mit den körperlichen Herausforderungen und Belastungen des Musizierens umgeht.

… wie sich ihr Üben durch das Körperbewusstsein verändert hat.

+ eine Übung mit der Du Deine Körperwahrnehmung für das Musizieren trainieren kannst. 

Ich wünsche Dir viel Freude mit dem Interview und freue mich auf Deine Rückmeldung in den Kommentaren!

Interview mit Fanny Mas – Flötistin, Akkordeonistin & Yogalehrerin

1. Frage: Liebe Fanny, erzähle erstmal etwas über Dich: Wer bist Du? Was machst Du? Warum bist Du Musiker geworden? Was bedeutet es für Dich Musiker zu sein?

Fanny: Ich bin Fanny Mas: Akkordeonistin, Querflötistin und begeisterte Pädagogin! Ich unterrichte meine Instrumente und mache es so ganzheitlich wie möglich: Ich habe mich als Yogalehrerin und Kinderyogalehrerin zusätzlich ausgebildet, so dass ich mehr Bewegung und Körperarbeit in meiner Pädagogik anwenden kann.

Ich bin außerdem Gründerin von Ipaia, eine Plattform die dem Wohlbefinden von Musiker*innen gewidmet ist.
Ich bin Musikerin geworden, weil ich einfach viel Spass am Spielen und am Üben (ja!) hatte, vor allem mit anderen Musiker*innen zusammen. Wie die meisten Profimusiker*innen habe ich früh angefangen (ich war 5, als ich ein Akkordeon für das erste Mal angefasst habe!) und wurde von tollen Lehrer*innen begleitet.
Cellistin Marleen Hiemsch

© Darko Todorovic

2. Frage: Welche drei Wörter beschreiben für Dich das Musizieren am besten? Was bedeutet Musik für Dich?

Fanny: Musik ist mittlerweile ein unerschütterlicher Bestandteil meines Lebens: Egal in welche Richtung ich schaue, sie ist da. Sie ist in den Erinnerungen meiner Kindheit, sie ist mein vielfältiger Beruf, sie ist eine unerschöpfliche Quelle von Neugier, dank ihr habe ich wunderbare Leute kennengelernt und sie wird mich Sicherheit noch viele Jahre begleiten!
Das Musizieren in drei Wörtern: Selbsterfahrung, Bewegung, Gemeinsamkeit.

3. Frage: Wie bist Du zum Wohlbefinden von Musiker*innen durch ein besseres Körperbewusstein gekommen? Gab es hier Schlüsselmomente?

Fanny: Während meines Musikstudiums war ich sehr begeistert und sehr fleissig: Ich habe jeden Tag stundenlang Akkordeon und Querflöte geübt, ohne jeglichen körperlichen Ausgleich. Dabei habe ich zwei Instrumente ausgesucht, die für den Körper anstrengend sind: Gewicht für das erste, asymmetrische Haltungen für beide um nur diese zwei Besonderheiten zu nennen.

Irgendwann hat mein Körper diese Belastung nicht mehr ausgehalten: Ich habe Schmerzen in den Armen bekommen und musste lernen, körperlich und psychisch damit umzugehen.
Ich habe meine Art zu üben geändert (viel pausieren, weniger „umsonst spielen“…), ich habe Sport in meinen Alltag integriert und so konnte ich doch mein Studium abschließen.

„…ich habe mich gefragt, was ich anders hätte machen sollen um diese Verletzungen zu vermeiden und vor allem, wie ich meine Schüler*innen davor schützen kann.“

Fanny: Aber ich habe mich gefragt, was ich anders hätte machen sollen um diese Verletzungen zu vermeiden und vor allem, wie ich meine Schüler*innen davor schützen kann. Ich habe mich weitergebildet, viel gelesen und viel gelernt aber mir fehlte die praktische Erfahrung. Ich wusste: Musiker*innen brauchen unbedingt Körperarbeit und -ausgleich, aber wie genau?

Irgendwann habe ich meinen ersten Yogaunterricht bei einer tollen Lehrerin bekommen: Ich fand es wunderbar, wie sie unsere Körperwahrnehmung methodisch geschult hat und wie es mir jeden Tag besser ging! Das Bewusstsein für meinen Körper, für die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Körperteilen ist allmählich schärfer geworden und es war spannend zu erleben (und ist immer noch !)!
Das war für mich die Antwort: Yoga wird mein Hilfsmittel sein, um mehr Körperarbeit in den Instrumentalunterricht zu integrieren und somit das Körperbewusstsein meinen Schüler*innen mitzuschulen.
Seitdem bin ich jeden Tag begeistert, wie Yoga Musiker*innen helfen kann, eine bessere Haltung am Instrument zu bekommen, sich gezielt zu dehnen, Stresssituationen besser zu meistern und vor allem, die Körperwahrnehmung zu verbessern. Das ist sehr wertvoll, denn wir musizieren am besten, wenn unser Körper gesund und schmerzfrei ist.
Wer seinem Körper sehr bewusst ist, kann Müdigkeitserscheinungen früher erkennen und rechtzeitig pausieren.
Wer seine Körperwahrnehmung regelmäßig kultiviert, kann seine Haltung am Instrument leichter erforschen, variieren um immer die beste für sich selbst zu finden.

4. Frage: Wie bereichert ein besseres Körperbewusstsein Dein Musizieren/ Üben?

Fanny: Ein besseres Körperbewusstsein ist ein Geschenk, das man sich selber macht, das jederzeit zur Verfügung steht und das kein Ende hat. Dank diesem Geschenk spüre ich viel früher als zuvor, wann meine Haltung beim Spielen nicht mehr dynamisch ist, wann und wo Kompensationsmechanismen eintreten und was ich in dem Fall machen muss. Dank Yoga weiß ich auch, wie ich mich da bewegen bzw. dehnen muss, um danach wieder ohne Anspannungen zu üben.

Das ist wichtig, denn bei Kompensationsmechanismen können manche Muskeln die Arbeit von anderen übernehmen, wofür sie aber eigentlich nicht da sind. Es ist zum Beispiel schlecht, wenn Muskel, die für die Bewegung notwendig sind, plötzlich eine lange Anspannung leisten müssen. Sie ermüden viel schneller als die Haltungsmuskeln, die für diese Arbeit eigentlich zuständig wären. Sie verspannen sich, was dann zu Schmerzen oder Verletzungen führen kann.

Dank Yoga weiß ich auch, wie ich mich da bewegen bzw. dehnen muss, um danach wieder ohne Anspannungen zu üben. Tue ich das mal nicht sammeln sie sich diese Anspannungen durch die Übeeinheiten. Manche Musiker*innen haben da Glück und werden nie Probleme haben. Oft treten aber Schmerzen auf und in manchen Fällen kommt  es durch diese Anspannungen zu einer Änderung der Grundhaltung.

„Dank Yoga weiß ich auch, wie ich mich da bewegen bzw. dehnen muss, um danach wieder ohne Anspannungen zu üben.“

Cellistin Marleen Hiemsch

© Darko Todorovic

5. Frage: Welche Erkenntnisse hattest Du durch ein besseres Körperbewusstsein für Dein Musizieren, die Du Dir schon früher gewünscht hättest?

Fanny: Ich weiß jetzt, wie es mir geholfen hätte, eine bessere Körperwahrnehmung und eine konsequente, regelmäßige Körperpraxis schon vor dem Studium zu haben. Mit meinen heutigen Kenntnissen würde ich nie wieder so üben, wie ich im Studium geübt habe. Damals habe ich gar nicht auf meinen Körper geachtet. Ich habe bulimisch geübt, bis der Kopf nicht mehr konnte ohne mich zu fragen, ob es vielleicht meinen Körper belastet. Ich habe ihn als bloßes Werkzeug für das Musizieren bzw. für das Erreichen von Studienzielen benutzt. Heute weiß ich, dass ich mein Körper bin. Es klingt banal und dennoch habe ich Zeit gebraucht, um das zu verinnerlichen! Geht es meinem Körper nicht gut, dann geht es mir nicht gut, was sich natürlich auf die Musik auswirkt. Weder meine Technik noch meine Interpretation können optimal sein, wenn es mir nicht gut geht.

Und das ist eben der Grund, warum ich Ipaia gegründet habe: Ich möchte Musiker*innen und Musikstudent*innen helfen, meine Fehler zu vermeiden!

Mit meinen heutigen Kenntnissen würde ich nie wieder so üben, wie ich im Studium geübt habe.“

6. Frage: Welche Probleme/ Herausforderungen konntest Du mit einem besseren Körperbewusstsein in Bezug auf die Musik für Dich lösen?

Fanny: Die größte Änderungen sehe ich in meiner Art zu üben, die jetzt viel gesünder ist! Mein Körper spielt eine Hauptrolle in der Gestaltung meinen Übesessions: Jede Übeeinheit beinhaltet Körperübungen (meistens Yogahaltungen), entweder geplant, mit einem Schwerpunkt oder nach Lust und Laune.

Ausserdem hat der Leistungsdruck in unserem Beruf einen Einfluss auf unsere Gesundheit. Seitdem ich mit mehr Körperbewusstsein übe, versuche ich ehrlich mit mir zu sein und meinen Ehrgeiz im gesunden Rahmen zu behalten. Sobald ich ein bisschen Druck spüre, frage ich mich ob dieser meine Gesundheit schaden kann und ob das Wert ist. Manchmal ist es tatsächlich ein gesunder Stress, der mich nach vorne treibt! Und wenn nicht, dann bremse ich und erinnere ich mich daran, dass Musik (so wie Yoga!) auch nur eine Körperpraxis sein kann, die mir ästhetisch und körperlich wichtig ist mehr nicht. 

7. Frage: Wo siehst Du das größte Potential in der Kombination von Musik & der Schulung des Körperbewusstseins?

Fanny: Vor allem in der Prävention von körperlichen Beschwerden, die leider eine musikalische Praxis oder gar eine professionelle Zukunft sehr bremsen können. Das ist mein Ziel mit Ipaia: Ich will sensibilisieren und Schlüssel vermitteln, um lange gesund musizieren zu können.

8. Frage: Hast Du Buch-, Video- oder andere Tipps, die sich für den Einstieg in das Thema eignen?

Fanny: Mittlerweile gibt es zum Glück viele Ressourcen über Musiker*innengesundheit, Yoga oder andere körperliche Praxen. Ein Buch, das mir sehr beeinflusst hat ist „Der musikalische Körper“ von Wolfgang Rüdiger: Eine Mischung zwischen philosophischen, musikalischen und pädagogischen Gedanken über die Rolle des Körpers beim Musizieren.

Ich bin aber ständig auf der Suche nach Inspiration und teile meine Entdeckungen (Podcast, Bücher usw.) auf meinem Blog und in meinem Newsletter.
Tolle Bücher ersetzen aber nie die Praxis: Man kann zwar viel darüber lesen und dennoch ist das regelmäßige Praktizieren das Wertvollste!

9. Frage: Gibt es noch etwas, was Du hinzufügen möchtest?

Fanny: Ich möchte alle Musiker*innen, die diese Zeile lesen ermuntern, ihren Körper zu pflegen, denn sobald er nicht mehr gut funktioniert oder unangenehm wird, ist das Musizieren ebenso beeinträchtigt.

Selbstverständlich muss es nicht unbedingt Yoga sein: Es gibt auch andere tolle Praxen, die ein besseres Körperbewusstsein ermöglichen! Macht euch dieses Geschenk, auch wenn ihr gerade nicht spürt, dass ihr es braucht!

Möchtest Du mehr über Fanny erfahren?

Hier gehts zu Fannys Website: https://ipaia.eu/

Ein Artikel über Körperarbeit beim Üben: https://ipaia.eu/tipps-koerperarbeit/
Hier gehts zu ihren instrumentenspezifischen Ebooks, in denen Du gezielte Übungen für die einzelnen Instrumente findest: https://ipaia.eu/ebook-shop/

Ich hoffe Fanny und ich konnten Dir etwas oder noch mehr Lust darauf machen Dein Körperbewusstsein für das Musizieren zu erforschen und zu nutzen. Lass mich gerne wissen, wie Dir der Artikel gefällt und teile ihn mit anderen, die das Thema auch interessant und bereichernd finden könnten.

Alles Liebe

Deine

Melina

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